Corona
Frühjahr 2020

Wie ich die Coronazeit erlebte, möchte ich mit nachfolgendem Link illustrieren.

Ich erlaube mir, diesen Link aufzunehmen: 

https://www.youtube.com/watch?v=MfPpBFduHuY

Am Anfang der Pandemie habe ich bei Facebook folgenden Beitrag gepostet:

Ein Virus, das an den Grundfesten unserer Verfassung rüttelt

corona

Das Coronavirus kennt unser Grundgesetz nicht. Ihn interessieren die Grundrechte nicht. Sein Interesse ist, sich zu vermehren.

Die weltweit geltenden Kontaktbeschränkungen treffen uns sehr. Freiheiten, wie wir sie aus "Friedenszeiten" kennen, sind erheblich eingeschränkt. Es geht den Regierungen darum, das Gesundheitssystem nicht zu überfordern, und deshalb die Erkrankungen in Schach zu halten. Je weniger Kontakte es gibt, umso geringer ist die Infektionsgefahr. Dies ist, wie ich finde ein Auftrag an die Exekutive. Bundeskanzlerin und Minister, wie auch Landesregierungsmitglieder haben geschworen, das Land vor Gefahren zu schützen. Weil niemand die Eigenschaften des Virus kennt, müssen die Maßnahmen entsprechen restriktiv ausfallen.

Nicht die Exekutive ist Souverän des Staates, sondern das Volk. Es muss wissen, was es möchte. Das ist schwer. Jeder Bürger hat seine Interessen, die ihm wichtig sind. Einkaufen, Reisen, Versammlungen in Gotteshäusern und Demonstrationen für Bürgerrechte, das alles sind berechtigte Bedürfnisse in einer Demokratie. Konzerte, Besuche in Museen und öffentliche Einrichtungen, Volksfeste und Märkte sind Lebenselixiere einer Gesellschaft (Brot und Spiele). Die Begegnungen mit Freunden, Verwandten und Nachbarn gehören zum unserem Sozialalltag. 

All dies ist im Moment sehr eingeschränkt, ja teilweise unmöglich. Ein Kulturvolk lebt vom Handel. Das gilt seit Alters her. Auch das wirtschaftliche Leben ist vom Virus stark betroffen. Das Bundesverfassungsgericht sieht dies und setzt der Exekutive Grenzen: Nicht länger als erforderlich und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Und hier beginnt das Problem.

Zweifellos ist das Leben das höchste Gut. Zustände, wie aus anderen Ländern berichtet, dass Menschenleben kategorisiert werden muss, soll es bei uns nicht geben. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch bei uns das Gesundheitswesen Mängel aufweist. Diese sind bis jetzt auch nicht beseitigt, trotz erheblicher Anstrengungen. Die Rechnungen der Experten haben ihren Sinn. Im Rahmen ihrer Expertisen müssen wir uns bewegen. Es gibt Modelle dafür. Welches nun richtig ist, vermag niemand zu beurteilen. Das Virus ist eine Kreatur. Es folgt seinen eigenen Gesetzen. Es ist nicht Teil unserer Gesellschaft, was sich unseren Gesetzen unterordnet. Es ist gewissermaßen ein unberechenbarer "Verfassungsfeind". Dem gilt unser gesellschaftlicher Widerstand. Um unsere Grundrechte zu schützen, müssen wir bereit sein, uns gegenseitig zu schützen. Glücklicherweise geschieht dies auch. Es ist jedermanns Entscheidung: je zurückhaltender ich mich bewege, umso größer ist mein Anteil am kollektiven Schutzschirm. Und wenn ich mich bewege, dann mit entsprechendem Respekt gegenüber dem anderen.

Bisher habe ich die Kontaktsperre einigermaßen gut überstanden. Es ist schmerzlich, Freunde nicht zu treffen. Für die letzten Wochen hatte ich mich mit lieben Freunden verabredet. Das hat wegen der Reisebeschränkungen nicht funktioniert. Auch wenn ich jemanden habe, der Einkaufshilfen für mich macht, habe ich ein Problem damit. Ich sehe nicht, was in den Regalen der Läden ist; ich muss vorplanen. Und schließlich läuft auch der Onlinehandel nicht immer nach gewohntem Muster ab. Man muss auf die Pakete warten. Aber ich habe keine Notlage. Ich habe es gut. Auch wenn der Ausnahmezustand noch länger anhalten wird, wenn ich Pläne noch einmal umwerfen muss, es gab vor nicht einmal allzu langer Zeit Zeiten, die weitaus beschwerlicher waren als die Pandemie jetzt. 75 Jahre ohne Krieg und 72 Jahre "Wirtschaftswunder", das sind doch Gründe zur Dankbarkeit.

Ich wünsche für uns Langmut im Umgang mit dem Coronavirus.

Nichts hat sich im Laufe der Zeit an meiner Auffassung geändert, auch wenn sich manches über die Wirkung des Virus nun erklären lässt. Ich möchte deshalb den Blick auf zwei Gleichnisse richten:
Das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld (Mk. 4, 1 – 20) und dem Gleichnis von der selbstwachsenden Saat (Mk. 4, 26 – 29). 

Im Moment richten sich unsere Blicke auf die Saat, die auf den Weg, auf steinigen Boden und unter die Dornen gefallen sind. Zweifellos waren die Entwicklungen der letzten Wochen so, wie bei einer Sturmflut. Wir erlebten einen Ausnahmezustand. Fast alles war heruntergefahren. Existenzen wurden bedroht. Wenn jetzt wieder normaler Alltag hochgefahren wird, so haben wir immer noch mit den Auswirkungen des Corona-Virus zu tun. Nichts wird wie vorher. Ich denke, nur wenige werden davon profitieren – vor allem die, die am lautesten sind. Und sie werden die Leisen ersticken. Die „Vernünftigen“ werden sich weiterhin an die Kontaktbeschränkungen und an die Hygienevorschriften halten. Sie werden sich wohl in ihrem kleinen Kreis bewegen. Und sie warten, bis staatliche Behörden vermelden, dass sie die Pandemie irgendwie in den Griff bekommen haben. Dann gibt es die anderen, die „Unvernünftigen“. Sie werden die wieder gewonnenen Möglichkeiten in ihrer Fülle ausnutzen. Sowohl die „Vernünftigen“ wie auch die „Unvernünftigen“ werden von sich behaupten, dass sie im Recht sind. Was ich hier beschrieb, ist Stand der aktuellen Lage.

Was ich glaube übersehen wird, ist: „Der Sämann“ ist die gemeinsame Einsicht, dass die staatlichen Eingriffe notwendig sind, dass sich die Pandemie kontrollieren lässt. Es hat sich eine positive Wirkung gezeigt. Es gibt offensichtlich keinen Notstand in den Krankenhäusern. Weil der Notstand in den Krankenhäusern ausfiel, erwachsen daraus die Gedanken, dass die Einschränkungen wieder aufgehoben – zumindest gelockert werden müssen. Die Warnungen der Experten blieben teilweise ungehört. Es kommt hinzu, dass durch sich durch die Einschränkungen nicht erwünschte Nebenwirkungen einstellten. Zwar haben Bund und Länder Hilfen versprochen. Sie sind können aber das Defizit, das sich durch die Maßnahmen ergibt, nicht ausgleichen. Trügerische Erwartungen! Das „vierfache Ackerfeld“ ist Realität. Es musste eigentlich von Anfang an klar sein, dass die Pandemie wie eine Sturmflut über uns hereinbrechen wird. Wir müssen wissen, was wir möchten. Kein Weg führt an der Katastrophe vorbei.

Ich habe mir Gedanken gemacht, wie es in den nächsten Monaten aussehen könnte. Zwei Szenarien sind mir in den Sinn gekommen:
Entweder wir entscheiden uns für das bürgerliche Leben, das wir bisher hatten. Wir werden unseren Wohlstand erhalten können. Die Folgen der Pandemiebeschränkungen können schnell wieder ausglichen werden. Nichts wird uns mehr an die „Sturmflut“ erinnern. Ich denke dies ist ein Weg, den wir auch aus vergangen Katastrophen kennen. Ich erinnere mich aber auch daran, dass Maßnahmen für einen verbesserten „Katastrophenschutz“ sehr lange brauchen. Es kann passieren, sich dieselbe Katastrophe wiederholt.

Oder wir entscheiden uns für einen neuen Weg. Teilweise besteht diese Forderung schon. Ich meine den Weg zur Verantwortung für die Welt. Bisher gibt es nur fragmentierte Lösungsansätze. Ein gemeinsames Konzept gibt es noch nicht. Das zweite Gleichnis könnte helfen: „Ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.“ Wir wissen inzwischen, dass unser Gesellschaftssystem gegen über der Welt unverantwortlich ist. Eine Abkehr davon wird bereits seit einiger Zeit gefordert und diskutiert. Ich verfolge dies aufmerksam. Auch hier gilt: Wir müssen wissen, was wir wollen. Ich habe den Eindruck, dass der Ernst des Problems erkannt wurde, nur der Weg ist umstritten. Wie schnell muss es gehen? Es muss wachsen. Wie bei der Coronapandemie brauchen wir Geduld. Es wird sicher nicht einfach.

Was mir klar geworden ist, so wie es bisher war, geht es nicht weiter. Es ist ein Prozess des Umdenkens im Gange – auch persönlich. Ich habe die letzten Wochen damit verbracht über meine Zukunft nachzudenken. Ich werde eine Veränderung vornehmen. Darüber werde ich zu gegebener Zeit berichten.

Geschichten / Performances

Volker, der Edelmann und Sklave

Volker war von Geburt ein Edelmann und ein getreuer Gefährte seines Königs. Ihm stand das Recht zu, die Königsbanner zu tragen. Er war ein kraftvoller Recke. 

Eines Tages wurde er von seinem König auf eine lange Reise geschickt. Das Ziel der Reise lag im Osten, jenseits der damals bekannten Welt. Ein großes Heer begleitete ihn – eine Demonstration der Macht des Königs. Jubel und Verehrung begleiteten die Truppe auf Ihren Wegen. Volksfeste wurden zu seinen Ehren organisiert. Volker war stolz darauf die Hoheit seines Königs zu repräsentieren.

Endlich nach vielen Tagen und Wochen kam die Truppe an die Landesgrenze. Nun musste er sich von seinem Heer verabschieden. Es war sein Auftrag alleine auf sein Wissen und Können und seine Kraft gestellt das unbekannte Land zu betreten. Furcht kannte Volker nicht, hatte er doch schon so viele Feldzüge bestritten. Er wusste sich und seine Haut - und vor allem das Königsbanner – zu schützen. So überkam ihm auch jetzt nicht ein leiser Anflug von Furcht. Eher wurde es manchem Krieger, der ihn bis hierher begeleitete mulmig. Nach Sonnenaufgang betrat Volker das neue Land, folgte mit Pferd und Königsbanner dem Weg nach Osten. Keine Stadt, kein Dorf, nicht einmal ein Weiler befand sich auf diesem Weg. Wälder reihten sich an einander. Als ihm schließlich der Vorrat zu Ende ging, wusste er sich von dem gedeckten Tisch der Natur zu ernähren. Er fand sicheren Unterschlupf im Unterholz der Wälder. Es schien ein friedliches Land zu sein, keine Wegelagerer, keine fremden Truppen. 

Er kam nach einigen Tagen an eine Waldlichtung. Zum ersten Mal begegnete er einem Menschen. Es ein eigenartiger Mensch – ziemlich klein von Gestalt, verwachsen und schien doch neugierig zu sein. „Hey, Fremder, was suchst du hier?“ „Ich bin im Auftrage meines großen Königs hier unterwegs, um für ihn neues Land zu erkunden“, antwortete Volker. „Nun, der Osten ist groß und weit, du wirst es nicht schaffen, das Land bis zum seinen Ende zu erkunden. Dein König wird dich nicht wieder sehen.“ – „Willst du mir Angst machen? Ich fürchte nichts“ – „Nein, du wirst dein Ziel nicht erreichen, glaube mir. So mancher hat schon sein Glück versucht und ist dabei kläglich gescheitert. Ich kenne die Grenzen meines Landes – allein nur ich.“ Volker ignorierte die Worte seines Gesprächspartners. Er war noch nicht alt und doch genug erfahren. Als der Mann Volker einlud dich Nacht bei ihm als Gast zu verbringen, willigte er sofort ein. Die Hütte war nicht groß. Volker störte es keineswegs. Er hatte nun ein Dach über seinem Kopf, etwas zu essen und zu trinken und auch die Unterhaltung mit dem Mann sorgte für Kurzweile. Am nächsten Morgen begab sich Volker mit seinem Pferd und dem Königsbanner weiter auf dem Weg nach Osten. 

Ein Jahr war Volker schon unterwegs. Und abermals kam er an eine Waldlichtung. Eine Stimme, die er zu kennen schien, drang ihm ans Ohr: „Hey, fremder Freund, immer noch fleißig auf dem Wege?“ – „Ja“. – „Hast du neues entdeckt?“ – „Nein, nur Wälder und Wälder, tagein und tagaus“. – „Ich sagte dir schon, du wirst nichts finden und dein König wird dich nicht wieder sehen“. – „Gut, ich wandere schon ein Jahr durch das Land, es wird sich doch aber sicher irgendwann eine Siedlung mit Feldern und Auen zeigen. So schnell gebe ich die Hoffnung doch nicht auf.“ Sagte es und ging weiter. 

Abermals verging ein Jahr und wieder kam er an eine Waldlichtung und erneut begegnete er dem wohl einzigen Menschen dieses Landes. „Nun, immer noch guten Mutes, fremder Freund?“ – „Zugegeben, mein Mut ist schon etwas gesunken. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ 

Nach dem dritten Jahr kam es wieder zu der bekannten Begegnung. Volker saß auf einem großen Stein. Er sah traurig aus. Tagein und tagaus nur Wälder, keine Stadt, kein Dorf und keinen Weiler waren auf dem Wege zu finden. Sein Pferd musste er irgendwann zurücklassen, weil es lahmte. Das Königsbanner drückte auf seinen Schultern. Seine Füße waren wund und der Magen war leer. „Warum wolltest du nicht auf mich hören und bist deinem Stolz gefolgt?“ Volker antwortete nicht. Er wusste zu gut, dass dieser Mensch Recht hatte. „Werde mein getreuer Diener und du wirst deines Lebens Erfüllung finden. Drei Jahre durchwanderst du nun schon mein Land. Ich habe in dir einen treuen Knecht deines Königs beobachten können, der unbeirrt seinen Auftrag zu erfüllen suchte. Ein solcher Knecht ist gut für mich.“ – „Wer bist du denn, dass ich dein Knecht werden sollte?“ fragte Volker verwundert. „Ich bin Alberich, der Zwergenkönig. Ich habe ein großes Reich – weit größer als die Erde und das Weltall zusammen. Und dieses Reich wolltest du für deinen König finden, damit er über mich und meine Gefährten herrsche. Doch kein Mensch kann dieses Reich erobern. Viele sind schon hierher eingedrungen, und ihr Stolz hat sie hier begraben. Es wird auch dir so widerfahren, wenn du mein Angebot ablehnst. Wenn du mir dienen wirst, wirst du auch hier Erfüllung finden. „Nun, König Alberich, ich bin von Geburt Edelmann. Welche ehrenvolle Aufgabe würde ich übernehmen?“ – „Ehrenvoll? – du bist hochmütig. Nein, deine Aufgabe wird Demut sein. Denn nur aus Demut erwächst Gehorsam.“ – „Gut, Herr, bei unserem Hofe gibt es auch die Diener. Ich bin zum Beispiel der Bannerträger meines Königs. Auch das ist ein Dienst voll Demut und Gehorsam, finde ich.“ – „Du fühlst dich dadurch geehrt. Oder glaubst du etwa, dein König denkt im Ernst an deine Not? Er hat inzwischen einen neuen Bannerträger gefunden. Dich hat er längst abgeschrieben. Er kann es sich ja nicht leisten, über Jahre hinweg ohne einen Bannerträger Kriege zu führen. Du bist hier in Ewigkeit verloren.“ Die Worte des Zwergenkönigs klangen für Volker plausibel. Selbst wenn er nun umkehren wollte und in ein paar Jahren vielleicht nach Hause käme, könnte er der Gnade seines Königs nicht sicher sein. Er würde sich vielleicht sogar Spott und Hohn des Gefolges einhandeln. Und in einem hat König Alberich auch Recht, Volker ist auch noch jetzt seinem König treu ergeben. Vielleicht kann er sich auch bei Alberich einbringen und an seinem Hofe dienen. 

Volker überlegte kurz und fand, dass seine Lage zur Zeit nur eine Entscheidung zuließe, das Angebot des Zwergenkönigs anzunehmen. 

Die Burg von König Alberich war klein, aber voller Kostbarkeiten; für Volkers weiteres Schicksal jedoch ohne Bedeutung. In der Burg erst einmal angekommen, wurde Volker gleich dem Sklavenmeister des Zwergenkönigs vorgeführt. „Er ist sicher ein guter Sklave“, meinte Alberich. „Er ist nur noch etwas hochmütig, was sicher mit seiner edlen Herkunft zu tun haben wird. Du wirst ihm die nötige Demut beibringen. Sei nicht zimperlich mit ihm.“ – „Sie wissen diesen Sklaven bei mir in guten Händen, mein Herr.“ Der Sklavenmeister verneigte sich vor seinem König. Zusammen mit Volker verließ er darauf den Thronraum. 

Volker war sich nicht mehr ganz so sicher, ob seine Entscheidung eine richtige gewesen sei. Als Sklave sollte er nun dienen. Er wusste wohl, was ein Leben als Sklave für ihn bedeuten würde. Die meisten Sklaven, die er sah, waren gefangene Ritter, die eine Schlacht verloren hatten. Sie waren trotz ihrer adeligen Herkunft recht- und schutzlos. Sie konnten ihre Freiheit nur in einem weiteren Kampf, den sie gewinnen mussten, wieder herstellen. Sein König war ein mächtiger Herrscher und die Truppen waren nicht zu besiegen. So blieb mancher gefangene Ritter bis zu seinem Lebensende Sklave. Starb er, so wurde an seiner Stelle der älteste Sohn zum Sklaven. 

Der Sklavenmeister des Zwergenkönigs Alberich gab nun den Befehl, dass sich Volker seiner edlen Kleidung entledige. Sie war zwar von der langen Reise nicht mehr neu und frisch, jedoch war sie aus guten Tüchern hergestellt. Sodann wurde ihm auf dem Rücken ein Mal eingebrannt, das den Besitzer Volkers kennzeichnen soll. Er bekam einen Eisenring um Hals, Hand- und Fußgelenke angelegt. Seine lange Haartracht wurde abrasiert. Und schließlich wurde er im Burgverlies eingesperrt. Einmal am Tag wurden ihm ein Eimer Wasser und ein Laib Brot gereicht. Alles schien ihn vergessen zu haben. Volker versuchte sich so gut es ging fit zu halten. Er rezitierte Texte, die er einst auswendig gelernt hatte und trainierte mit den schweren Eisenringen seine Muskelkräfte. Überkam ihm Schwermut, so fing er an lateinische Psalmen zu singen. So vergingen die Monde. Wie lange Volker nun schon im dunklen Kerker saß, wusste er nicht. Er konnte weder Tag noch Nacht noch die Jahreszeiten erkennen. Weder das Zwitschern der Vögel draußen noch die lauen oder kalten Lüfte drangen in sein Gefängnis. Nicht einmal die Sonntagsglocke war zu vernehmen. 

Eines Tages verfiel Volker in einen tiefen Schlaf. Er begann zu träumen. 

Wie durch ein Wunder öffnete sich eine kleine Mauerspalte seines Kerkers. Er zwängte sich hindurch und gelang ins Freie. So gut die Füße ihn trugen, eilte er nach Westen in Richtung Heimat. Fast hatte er das Gefühl, von den himmlischen Heerscharen getragen zu werden. Doch in der Heimat angekommen, fand er nichts mehr so vor, wie es war, als er die lange Reise begonnen hatte. Die Leute auf der Straße schienen ihn nicht wieder zu erkennen. Die Ritter schienen sich in ihren Burgen verschanzt zu haben. Die Edelleute rauschten mit ihren Kutschen an ihm vorbei. Hunde bellten und Katzen fauchten ihn an. Die Kinder trieben ihren Schabernack mit ihm. Auch als er an der Residenz seines Königs ankam, wurde er nicht erkannt. Als Spion wurde er aufgegriffen und eben in seines eigenen Königs Verließ gesperrt. 

Volker war Sklave hüben wie drüben. Er blieb Sklave bis zu seinem Lebensende. Eine andere Möglichkeit gab nicht. 

Als er erwachte, war er immer noch im Kerker des Zwergenkönigs. Er musste mehrere Wochen verschlafen haben, denn im Raum standen 40 Eimer, daneben lagen 40 Laib Brote. Einige davon waren hart wie Stein. Volker war hungrig und durstig. Er aß einige Brocken von den älteren Broten und trank ein paar Maße vom frischen Wasser und wusch sich den Schlaf aus dem Gesicht. Erst jetzt bemerkte er den Sklavenmeister Alberichs, der wohl schon einige Zeit bei ihm weilte. Es war wohl aufgefallen, dass Volker in den letzten Wochen nichts trank und nichts aß. Die Kunde wurde auch vor den König Alberich getragen. Der befahl, nach dem Rechten zu sehen. So saß der Sklavenmeister schon eine ganze Weile in Volkers Verlies. „Nun weißt du wohl, dass du fortan ein Leben als Sklave führen wirst. Nicht einmal dein Traum wird sich erfüllen. Denn aus dem Land Alberichs, dem Zwergenkönig, kannst du nicht entkommen. Ich werde dich an einen Ort bringen, den du lebend nie wieder verlassen wirst.“ Der Sklavenmeister löste Volkers Ketten von der Wand und führte ihn aus seinem Gefängnis. Er wurde auf eine geschlossene Karre verladen. Nur da, wo die Holzbretter aneinander stießen, war ihm ein Blick nach draußen möglich. Viel erkennen konnte er natürlich nicht. Der Kutscher hielt die Zügel wohl kurz. Schnell ging es über die holprigen Wege, die durch die Waldlandschaft des Zwergenreiches führten. Volker wurde in seiner Karre hin und her geworfen. 

Endlich kam die Karre zum Stehen. Volker wurde aus der Karre gezerrt und zu einer Höhle geführt. Der Höhleneingang war eher für Zwerge geschaffen. Volker musste sich durch den Eingang zwängen. Die Höhle selbst war groß und weit. Kaum war Volker in der Höhle, fiel ein Felsbrocken wie mit einem großem Donnerschlag vor dem Eingang nieder. Von oben schien ein Lichtstrahl in die Höhle, also musste es auch hier einen Zugang geben. Volker vernahm ein hämisches Lachen des Zwergenkönigs: „Nun, Edelmann, wirst du die ehrenvolle Aufgabe haben, Edelsteine, die sich in dieser Höhle befinden zusammenzutragen. Mein Sklavenmeister, wird dich mit täglich frischem Wasser und Brot versorgen. In den Wassereimern wirst du die Edelsteine zur Abholung bereitstellen. Denke aber nicht, du könntest von den Edelsteinen für dich etwas abzweigen. Sie werden dich bei deiner Arbeit behindern. Sie können dir nichts nutzen. Du kannst dir dafür nichts erwerben – weder deine Freiheit noch irgendwelche Güter. Sie sind mein und du hast mir alles zu überlassen. Die schönsten Edelsteine wirst du für mich einsammeln. Ich werde von Zeit zu Zeit selbst kommen und nach dem Rechten schauen. Ich werde einen Sklaven sehen, der auf Knien die schönsten Güter dieses Landes für seinen Herrn zusammenträgt. Ich werde in dir einen demütigen Sklaven vorfinden. Du wirst vergessen, dass du einst ein Edelmann gewesen bist.“

Dann ließ der Sklavenmeister einen Wassereimer und einen Eimer mit einem Laib Brot in die Höhle herab. Der Lichtstrahl, der von oben in die Höhle drang, verschwand plötzlich. Es wurde dunkel in der Höhle. Plötzlich erkannte Volker, wie etwas von Zeit zu Zeit aufblinkte. Er beobachtete das Schauspiel ein zeitlang. Dann merkte er, dass es sich um die Edelsteine handeln musste, von denen König Alberich sprach. Es waren zu seinem Erstaunen Edelsteine, die ohne fremde Lichteinwirkung funkelten. Volker fing an, die Steine in den Eimer zu legen. Er brauchte sich nicht mühen, sie zu finden. Sie zeigten sich von selbst. Er fand auf einmal so viele Steine, dass der Eimer bald gefüllt war. Er stellte den Eimer dort ab, von wo aus das Licht eindrang, als König Alberich mit ihm sprach. Und er betrachtete die Edelsteine. Wie konnten diese Steine ohne fremdes Licht funkeln? Auf einmal stellte er fest, dass die Steine im Eimer nicht mehr funkelten. Er ging noch einmal den kurzen Weg zurück, wo er die Steine fand. Er fand keinen einzigen funkelnden Edelstein mehr. Er fand es merkwürdig. Was hat das zu bedeuten? Volker wollte nach dem Geheimnis forschen. Als der Sklavenmeister am nächsten Morgen, wie angekündigt, die Eimer mit Wasser und dem Brotlaib in die Höhle brachte und die Edelsteine, die Volker zusammengetragen hatte, abholte, nutzte Volker die Gelegenheit, solange das Licht in die Höhle schien sich nach den Edelsteinen umzuschauen. Er fand auch etliche, die vom Licht funkelten. Er ließ sie liegen, merkte sich aber die Stellen. Als es wieder dunkel war, war nichts mehr von dem Funkeln zu erkennen. Er kroch trotzdem zu den Stellen, wo er vorher die funkelnden Steine gesehen hatte und sammelte sie ein. Er legte sie aber auf einen gesonderten Platz. Nach dem er sich gewaschen und mit ein paar Bissen Brot und etwas Wasser gestärkt hatte, machte er sich wieder an seine Arbeit. Wie am Tag zuvor, zeigten sich funkelnde Edelsteine wie von selbst. Erneut sammelte er sie ein und brachte sie zu seiner Lagerstatt. Abermals verging ihr funkeln. Volker war nun klar, dass es zweierlei Arten von Edelsteinen geben muss. Die einen die auffunkeln, wenn Licht auf sie fällt und die anderen, die aufblinken, solange er seine Arbeit tut. Was für ein Geheimnis steckt dahinter?

So vergingen Tage, Monate und sogar Jahre. Immer wieder stand Volker vor dem gleichen Phänomen. Eines Tages fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Die Edelsteine, die nicht vom fremden Licht aufblinkten, waren wie Wegweiser. Er musste sich nicht darum bemühen, sie zu finden. Sie lagen ihm einfach zu Füßen. Und da sie von selbst funkelten, waren sie wohl die schönsten Edelsteine in dieser Höhle. Die anderen Edelsteine, brachten ihm eher Unglück ein. Als er es nämlich wagte, diese im zweiten Eimer zusammeln und dem Zwergenkönig abzuliefern, geschah folgendes: Der Sklavenmeister ließ am anderen Morgen statt Wasser und Brot Schlangen in den Eimern in die Höhle herab. Diese Schlangen vermehrten sich, so dass Volker keine Zeit für seine Arbeit fand. Er musste nämlich aufpassen, dass er nicht von ihnen gebissen wurde. Sie krochen und zischten um ihn herum. Sie schlängelten sich über seinen ganzen Körper und züngelten vor seinen Augen. Den ganzen Tag und die ganze Nacht plagten ihn diese Quälgeister. Am anderen Morgen lagen sie tot am Boden. „Das sollte dir, mein Sklave, eine Lehre gewesen sein!“ so die Stimme König Alberichs. „Du hast mir zwar die schönsten Edelsteine abgeliefert, die ich je gesehen habe, sie funkeln ohne fremdes Licht. Sie weisen dir deinen Sklavenweg. Sie funkeln für dich, damit du dich nicht in dieser Höhle verirrst. Diese Edelsteine hast du für mich einzusammeln. Die anderen, die nur mit fremdem Licht funkeln, lass liegen. Sie verführen nur und du wirst dich in dieser Höhle verirren. Ich finde auch keinen Gefallen an ihnen, denn sie blinken nur bei Tageslicht. Nachts bleiben sie dunkel. Welche Freude schenkst du mir an den immer funkelnden Edelsteinen. Ich will dir auch das Geheimnis verraten, warum sie nur auffunkeln, wenn du deine Arbeit tust. Arbeit ist dein Sklavendienst, dafür brauchst du die Orientierung der funkelnden Steine. Ich lasse dir noch mehr Eimer geben. Du sollst unermüdlich deiner Arbeit nachgehen. Keine Ruhe sollst du finden. Und die funkelnden Edelsteine werden dir nie ausgehen.“

Als Volker eines Tages wie gewohnt seiner Arbeit nachging, stand vor ihm plötzlich der Sklavenmeister des Zwergenkönigs. Wie erstarrt schaute Volker in dessen Augen und es schien ihm als würde ihm ein vertrautes Gesicht gegenüberstehen. Er glaubte in dem Sklavenmeister Ähnlichkeiten mit seinem Oheim zu erkennen. 

Volker wurde nachdem sein Vater bei einem Ritterkampf tödlich verletzt wurde, von seinem Oheim erzogen. Er lebte auch seit dem Tode seines Vaters auf der Burg seines Oheims. Die Mutter war ins Kloster gegangen. Das war damals üblicher Brauch. Eines Tages, er war bereits im Jugendalter und diente seinem Oheim als Knappe, wohnte er einem ausschweifendem Rittergelage bei. Er durfte zum ersten Mal zusammen mit einigen anderen jungen Knappen den Wein in vollen Zügen genießen. Die Jungen waren sehr schnell von Sinnen geraten und prahlten mit Heldentaten, die sie einmal vollbringen wollten. In der Tat war Volker zu einem kräftigen Jüngling herangewachsen. Er hatte einen guten Verstand und konnte auch mit Pfeil und Bogen, Schwert und Lanze gut umgehen. Er war ein guter Reiter. Volker forderte bei dieser Gelegenheit seinen Oheim zu einem Turnier heraus. Da die Männer bei dem Gelage guter Laune waren, wollte sich der Oheim der Herausforderung seines Neffen stellen. Ein paar Tage später, nachdem alle ihren Rausch ausgeschlafen hatten, fand sich die Gesellschaft im Burghof ein. Die Ritter hatten sich und ihre Rosse herausgeputzt. Begleitet wurden sie von ihren Knappen, die die Ritterbanner trugen. Die Edelfrauen schauten aus den Fenstern der Kemenate und die Ritter nahmen Platz auf der Tribüne. Die Wettkämpfe wurden in 3 Disziplinen durchführt: Pfeil- und Bogenschießen, Kämpfe mit dem Schwert und Ritt mit der Lanze. Jeder musste gegen jeden antreten. Wer alle drei Kämpfe unbeschadet überstand, war der Sieger des Turniers. Volkers Oheim war ein erfahrener Recke und er galt gewissermaßen als Favorit. Volker hingegen galt als unerfahren und wurde als Außenseiter gehandelt. Beide standen sich nun gegenüber. Im Kampfe gelang es ihm aber, die kleinsten Schwächen seines Oheims zu nutzen. Er kannte sie aus den vielen Übungen, die er mit ihm zusammen absolvierte. In einer Minute, da der Oheim etwas unachtsam zu sein schien, stieß Volker seinen Onkel vom Pferde. Das dies sowohl für den Oheim wie auch für Volker eine schicksalhafte Stunde wurde, offenbarte sich viel später in der Höhle im Lande des Zwergenkönigs Alberich.

Volkers Oheim wusste, dass er – sollte ihn sein Neffe im Kampfe besiegen – ein Sklave des Zwergenkönigs werden würde. So geschah es auch an jenem Tage, als Volker als Sieger das Turnier verließ. Man fand den Oheim an Tage nach dem Turnier weder in der Burg noch im ganzen Lande. Nur eine kleine Notiz, die vor Volkers Kammer gefunden wurde, verriet, dass er Burg und Land verlassen musste und nicht mehr zurückkehren würde. Als Sklave des Zwergenkönigs erlebte Volkers Oheim das gleiche Schicksal wir später sein Neffe: Gefangener im Verlies der Zwergenburg und als Zwangsarbeiter in der Höhle, wo sich beide nun begegneten. Als Volker im Auftrage seines Königs das Zwergenland betrat, machte Alberich seinen Oheim zum Sklavenmeister. Als Sklavenmeister sollte er sich nun wieder um seinen Neffen kümmern. Doch dieses Mal sollte es dem Neffen nicht gelingen, seinen Onkel zu besiegen. Als Sklave soll Volker in ewiger Demut und ewigem Gehorsam leben. Er soll seinem Herrn in allem vertrauen. Er soll seinem Zwergenkönig ewige Treue schwören. Der Oheim klärte Volker auf, dass er nach dem Verschwinden des Oheims nur treuhänderischer Besitzer der Burg und der Ländereien war. Der wahre Besitzer war von dem Moment an als Volker seinen Onkel vom Pferd stieß König Alberich geworden, ein Moment, in dem auch die Weichen für Volkers Sklaverei gestellt wurden. Volkers Hochmut, Prahlerei und Einbildung waren der Grund dafür. 

Der Oheim entschwand so wie er auftauchte. Doch von nun an erschien er seinem Neffen jeden Morgen in der Frühe. Wie er den Jungen damals zu einem Recken erzog, lehrte er nun Volker die Sklaverei. „Auch wenn du König Alberich nicht mehr in der Weise begegnen wirst, wie du ihm vormals im Wald begegnet bist, wirst du ihm in Treue dienen. Du wirst alle seine Befehle ausführen und alle seine Wünsche erfüllen. Ich, dein Oheim, werde die Befehle übermitteln. Mir wirst du ebenso wie einst folgen. Denn meine Worte sind des Königs Worte.“ Volker bedankte sich bei seinem Meister. Er versprach dem König ewige Treue zu halten und den Befehlen seines Oheims zu gehorchen. Er wolle sich bemühen, ein guter Sklave zu werden. „Du hast vor mir wieder etwas gut zu machen, Volker“, erklärte der Oheim. „Die Schande, die dein Hochmut, deine Prahlerei und deine Einbildung über mich brachte, musst du nun sühnen. Ich habe dir zu sagen, dass der König dich als seinen Erzsklaven auserwählt hat. – Nein, nicht wie du nun denkst! – Keiner hat vor dir sein Leben lang in dieser Höhle verbracht. Jeder sah das Tageslicht wieder. Aber das war auch ihr Ende. Ich durfte die Höhle verlassen, weil sie dein Platz ist. Aber auch mein Ende ist absehbar. Dann wirst du für immer da unten verweilen und deinem König die Edelsteine sammeln. Du wirst für jeden, der in die Sklaverei kommt ein Zeichen und Mahnmal sein.“ 

In den folgenden Nächten konnte Volker keinen Schlaf finden. Was hat das zu bedeuten, was ihm sein Oheim da sagte? Vor allem wie lange wird er ihn noch zu sehen bekommen? Welche Gnade wird ihm der König erweisen? Da erschien ihm plötzlich der Zwergenkönig selbst. Volker erschrak. Er warf sich vor ihm nieder. „Mein HERR und GEBIETER!“ Der König erstrahlte im vollen Glanz. Er trug ein Kleid, das mit den Edelsteinen bestückt war, welche Volker zusammengesammelt hatte. Die Edelsteine leuchteten in dieser dunklen Höhle, dass es wie Tag wurde. Volker schloss die Augen, um nicht geblendet zu werden. „Sklave Volker, dies ist der Augenblick, da ich dich zu meinem Erzsklaven weihe. Die Weihe wird die Kraftquelle für deine Sklaverei sein. Sie wird dich ewig speisen. Deinen „alten Ego“ werde ich mit Pech übergießen.“ Dann übergoss er Volkers Körper mit heißem Pech. Der Sklave wand sich vor Schmerzen. Er schrie entsetzlich um Erbarmen. Doch wie ein Wunder blieb sein Körper unverletzt. Im Gegenteil. Das erkaltete Pech schützte von nun an seinen Körper. Er konnte sich keine Verletzungen mehr zuziehen. Es war also eine Weihe für die Ewigkeit. Das „alte Ego“ in Volkers Körper war versiegelt. Nur an einer Stelle konnte das Pech nicht den Körper überziehen. Es war die Stelle seiner Männlichkeit. Wenn Volker diese Stelle nicht im Zaume halten würde, könnte das „alte Ego“ wieder zum Ausbruch kommen. „Ich habe in dich den Gehorsam gelegt. Du wirst mir dienen bis in alle Ewigkeit. Ich habe zugleich Hochmut, Prahlerei und Einbildung in die Schranken gewiesen. Du wirst nun im Wesen demütig sein. An deiner männlichen Stelle ist deine Demut verwundbar. Übe dich also in Keuschheit.“ „Wo sollen mich hier Gelüste überkommen? Hier ist es einsam, keinem Menschen, außer meinem Oheim werde ich hier begegnen.“ „Nicht nur das menschliche Geschöpf kann in einem Manne die Lust wecken. Auch die Einsamkeit ist ein Nährboden für den Bazillus der gegen die Demut wirkt sein. Diese Einsamkeit wirst du als Sklave zutiefst erfahren. 

Ich werde zwar deinen Oheim Tag für Tag zu dir schicken, damit dich fürs erste die Einsamkeit nicht unendlich quälen wird. An manchen Tagen wird er auch länger bei dir verweilen können. Ganz nach meiner Laune. Ich kenne deine Zuneigung, die du zu ihm hegst. Er ist ein strenger und liebevoller Meister für dich. Doch eines Tages wird er nicht mehr zu dir kommen können. Davon hat er bereits mit dir gesprochen. Er ist ein Sklave der das Licht gesehen hat. Und das Licht bedeutet für jeden Sklaven sein Ende. Du wirst aber das Licht nicht wieder sehen.

Die Weihe, mein Sklave, die ich eben an dir vollzog, ist die Voraussetzung dafür, dass du „ewiger Sklave“ bleibst. Damit du deine Weihe nie vergisst, werde ich alle sieben Jahre neues Pech über deinen Körper ergießen. Dann werde ich dir wie heute erscheinen.“ Sprach es und verschwand im selben Augenblick.

Als Sklavenmeister lebte Volkers Oheim am Hofe des Zwergenkönigs. Wie die meisten Höflinge war auch er Sklave des Königs. Das Leben der Höflinge war streng geregelt. 

So befanden sich ihre Unterkünfte wie es damals üblich war, im äußeren Teil der Burg. Es waren kleine Zellen mit vergitterten Luken. Die Zellen waren einfach ausgestattet. Neben einem Strohlager auf dem die Höflinge schliefen gab es noch einen Stehpult zum Lesen und Schreiben, einen Stuhl auf dem eine Waschschüssel stand und an den Wänden war jeweils ein Andreaskreuz angebracht. 

Mit Fanfaren wurde am frühen Morgen der Tag eröffnet. Die Höflinge hatten sich auf dem äußeren Burghof zum Appell aufzustellen. Dabei wurde sehr auf die Rangordnung geachtet. Der Sklavenmeister hatte seinen Platz in der ersten Reihe. Die Höflinge nahmen ihre Tagesration in Empfang. Das Tor zum inneren Burghof war geöffnet. Die Höflinge verneigten sich in Richtung innere Burg, in der der Zwergenkönig wohnte. Dadurch erwiesen sie ihrem König Respekt und Ehrerbietung. Dann gingen sie wie in einer Prozession der Reihe nach zum Hoftor und legten Geschenke in einer dort aufgestellten Schale. Die Geschenke wurden sodann dem König überbracht. Es handelte sich zu meist um Gedichte und Hymnen zu Ehren des Königs sowie Danksagungen der Höflinge für ihren ehrenvollen Dienst. Es wurden auch Blumen und Kerzen in die Schale gelegt. In eine zweite Schale legten sie als Fronopfer einen Teil ihrer Tagesration. Auf diese Weise taten sie ihrem König kund, dass er sie wohl ernährte und sie wiederum einen Teil davon dem König als Fronopfer zurückgeben können. Nach dem Appell traten die Höflinge ihre Dienste an.

Wer zum Zwergenkönig vorgelassen werden musste, musste sein Gesicht verhüllen. Keiner durfte sein wahres Gesicht dem König zeigen. Der Thronraum teilte sich in zwei Hälften auf: einem Vorplatz für die Höflingen und einem erhöhten Platz für den Thron. Zwischen Thron und Vorplatz befand sich ein Vorhang, so dass der Höfling den König nur in seinen Konturen erkennen konnte. Der Thron war mit purem Gold und den Edelsteinen verziert, die Volker in seiner Höhle gefunden hatte. Über dem Thron befand sich ein himmelblauer Baldachin mit der Inschrift: „Herrscher für Ewig“. Links und rechts von dem Thron waren Tischchen aufgestellt, auf denen die beiden gefüllten Schalen vom Hoftor befanden. Der Höfling warf sich auf vor dem Thron auf den Boden, das verdeckte Gesicht nach unten, Arme und Beine in Kreuzform ausgestreckt. Er musste so solange liegen bleiben, bis der König ihn wieder entließ. Je nach Anlass trug der König ein grünes, rotes oder weißes Leinengewand. Das grüne Gewand trug der König für gewöhnliche Audienzen, das rote, dann wenn er über Vergehen seiner Sklaven und Höflinge zu Gericht saß und das weiße Gewand trug der König bei besonderen festlichen Anlässen. 

Sklaven, die am Hofe des Zwergenkönigs dienten, waren zu Eunuchen gemacht worden. Ihnen sollte damit deutlich gemacht werden, dass sie nicht mehr die Männer waren, bevor sie im Zwergenreich in die Sklaverei kamen. Die Sklaven Alberichs waren alle samt von ritterlichem Geschlecht. Sie haben als Sklaven nicht nur ihren Ruhm und Besitz verloren, sondern verloren auch ihre Männlichkeit. Einem Sklaven muss eben seine ganze Würde genommen werden. Erst dann kann er die Ehre, die ihm als Höfling zuteil wird, ermessen. Er lebt vom Empfangen und Zurückgeben.