Das Coronavirus kennt unser Grundgesetz nicht. Ihn interessieren die Grundrechte nicht. Sein Interesse ist, sich zu vermehren.
Die weltweit geltenden Kontaktbeschränkungen treffen uns sehr. Freiheiten, wie wir sie aus "Friedenszeiten" kennen, sind erheblich eingeschränkt. Es geht den Regierungen darum, das Gesundheitssystem nicht zu überfordern, und deshalb die Erkrankungen in Schach zu halten. Je weniger Kontakte es gibt, umso geringer ist die Infektionsgefahr. Dies ist, wie ich finde ein Auftrag an die Exekutive. Bundeskanzlerin und Minister, wie auch Landesregierungsmitglieder haben geschworen, das Land vor Gefahren zu schützen. Weil niemand die Eigenschaften des Virus kennt, müssen die Maßnahmen entsprechen restriktiv ausfallen.
Nicht die Exekutive ist Souverän des Staates, sondern das Volk. Es muss wissen, was es möchte. Das ist schwer. Jeder Bürger hat seine Interessen, die ihm wichtig sind. Einkaufen, Reisen, Versammlungen in Gotteshäusern und Demonstrationen für Bürgerrechte, das alles sind berechtigte Bedürfnisse in einer Demokratie. Konzerte, Besuche in Museen und öffentliche Einrichtungen, Volksfeste und Märkte sind Lebenselixiere einer Gesellschaft (Brot und Spiele). Die Begegnungen mit Freunden, Verwandten und Nachbarn gehören zum unserem Sozialalltag.
All dies ist im Moment sehr eingeschränkt, ja teilweise unmöglich. Ein Kulturvolk lebt vom Handel. Das gilt seit Alters her. Auch das wirtschaftliche Leben ist vom Virus stark betroffen. Das Bundesverfassungsgericht sieht dies und setzt der Exekutive Grenzen: Nicht länger als erforderlich und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Und hier beginnt das Problem.
Zweifellos ist das Leben das höchste Gut. Zustände, wie aus anderen Ländern berichtet, dass Menschenleben kategorisiert werden muss, soll es bei uns nicht geben. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch bei uns das Gesundheitswesen Mängel aufweist. Diese sind bis jetzt auch nicht beseitigt, trotz erheblicher Anstrengungen. Die Rechnungen der Experten haben ihren Sinn. Im Rahmen ihrer Expertisen müssen wir uns bewegen. Es gibt Modelle dafür. Welches nun richtig ist, vermag niemand zu beurteilen. Das Virus ist eine Kreatur. Es folgt seinen eigenen Gesetzen. Es ist nicht Teil unserer Gesellschaft, was sich unseren Gesetzen unterordnet. Es ist gewissermaßen ein unberechenbarer "Verfassungsfeind". Dem gilt unser gesellschaftlicher Widerstand. Um unsere Grundrechte zu schützen, müssen wir bereit sein, uns gegenseitig zu schützen. Glücklicherweise geschieht dies auch. Es ist jedermanns Entscheidung: je zurückhaltender ich mich bewege, umso größer ist mein Anteil am kollektiven Schutzschirm. Und wenn ich mich bewege, dann mit entsprechendem Respekt gegenüber dem anderen.
Bisher habe ich die Kontaktsperre einigermaßen gut überstanden. Es ist schmerzlich, Freunde nicht zu treffen. Für die letzten Wochen hatte ich mich mit lieben Freunden verabredet. Das hat wegen der Reisebeschränkungen nicht funktioniert. Auch wenn ich jemanden habe, der Einkaufshilfen für mich macht, habe ich ein Problem damit. Ich sehe nicht, was in den Regalen der Läden ist; ich muss vorplanen. Und schließlich läuft auch der Onlinehandel nicht immer nach gewohntem Muster ab. Man muss auf die Pakete warten. Aber ich habe keine Notlage. Ich habe es gut. Auch wenn der Ausnahmezustand noch länger anhalten wird, wenn ich Pläne noch einmal umwerfen muss, es gab vor nicht einmal allzu langer Zeit Zeiten, die weitaus beschwerlicher waren als die Pandemie jetzt. 75 Jahre ohne Krieg und 72 Jahre "Wirtschaftswunder", das sind doch Gründe zur Dankbarkeit.
Ich wünsche für uns Langmut im Umgang mit dem Coronavirus.
Im Moment richten sich unsere Blicke auf die Saat, die auf den Weg, auf steinigen Boden und unter die Dornen gefallen sind. Zweifellos waren die Entwicklungen der letzten Wochen so, wie bei einer Sturmflut. Wir erlebten einen Ausnahmezustand. Fast alles war heruntergefahren. Existenzen wurden bedroht. Wenn jetzt wieder normaler Alltag hochgefahren wird, so haben wir immer noch mit den Auswirkungen des Corona-Virus zu tun. Nichts wird wie vorher. Ich denke, nur wenige werden davon profitieren – vor allem die, die am lautesten sind. Und sie werden die Leisen ersticken. Die „Vernünftigen“ werden sich weiterhin an die Kontaktbeschränkungen und an die Hygienevorschriften halten. Sie werden sich wohl in ihrem kleinen Kreis bewegen. Und sie warten, bis staatliche Behörden vermelden, dass sie die Pandemie irgendwie in den Griff bekommen haben. Dann gibt es die anderen, die „Unvernünftigen“. Sie werden die wieder gewonnenen Möglichkeiten in ihrer Fülle ausnutzen. Sowohl die „Vernünftigen“ wie auch die „Unvernünftigen“ werden von sich behaupten, dass sie im Recht sind. Was ich hier beschrieb, ist Stand der aktuellen Lage.
Was ich glaube übersehen wird, ist: „Der Sämann“ ist die gemeinsame Einsicht, dass die staatlichen Eingriffe notwendig sind, dass sich die Pandemie kontrollieren lässt. Es hat sich eine positive Wirkung gezeigt. Es gibt offensichtlich keinen Notstand in den Krankenhäusern. Weil der Notstand in den Krankenhäusern ausfiel, erwachsen daraus die Gedanken, dass die Einschränkungen wieder aufgehoben – zumindest gelockert werden müssen. Die Warnungen der Experten blieben teilweise ungehört. Es kommt hinzu, dass durch sich durch die Einschränkungen nicht erwünschte Nebenwirkungen einstellten. Zwar haben Bund und Länder Hilfen versprochen. Sie sind können aber das Defizit, das sich durch die Maßnahmen ergibt, nicht ausgleichen. Trügerische Erwartungen! Das „vierfache Ackerfeld“ ist Realität. Es musste eigentlich von Anfang an klar sein, dass die Pandemie wie eine Sturmflut über uns hereinbrechen wird. Wir müssen wissen, was wir möchten. Kein Weg führt an der Katastrophe vorbei.
Ich habe mir Gedanken gemacht, wie es in den nächsten Monaten aussehen könnte. Zwei Szenarien sind mir in den Sinn gekommen: Entweder wir entscheiden uns für das bürgerliche Leben, das wir bisher hatten. Wir werden unseren Wohlstand erhalten können. Die Folgen der Pandemiebeschränkungen können schnell wieder ausglichen werden. Nichts wird uns mehr an die „Sturmflut“ erinnern. Ich denke dies ist ein Weg, den wir auch aus vergangen Katastrophen kennen. Ich erinnere mich aber auch daran, dass Maßnahmen für einen verbesserten „Katastrophenschutz“ sehr lange brauchen. Es kann passieren, sich dieselbe Katastrophe wiederholt.
Oder wir entscheiden uns für einen neuen Weg. Teilweise besteht diese Forderung schon. Ich meine den Weg zur Verantwortung für die Welt. Bisher gibt es nur fragmentierte Lösungsansätze. Ein gemeinsames Konzept gibt es noch nicht. Das zweite Gleichnis könnte helfen: „Ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.“ Wir wissen inzwischen, dass unser Gesellschaftssystem gegen über der Welt unverantwortlich ist. Eine Abkehr davon wird bereits seit einiger Zeit gefordert und diskutiert. Ich verfolge dies aufmerksam. Auch hier gilt: Wir müssen wissen, was wir wollen. Ich habe den Eindruck, dass der Ernst des Problems erkannt wurde, nur der Weg ist umstritten. Wie schnell muss es gehen? Es muss wachsen. Wie bei der Coronapandemie brauchen wir Geduld. Es wird sicher nicht einfach.
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